DIN 77006: Richtet ein normgerechtes Intellectual Property-Management-System (IPMS) ein!

15.09.2020

Die Digitale Revolution zur Informationsgesellschaft hat dem Geistigen Eigentum zu einem der „Kernwerte“ des Wirtschaftslebens verholfen. Die brandneue DIN 77006 „Intellectual Property Management Systeme – Anforderungen“  [Link] stellt erstmals auditierbare Kriterien für den Umgang mit immateriellen Werten im Unternehmen auf. Die DIN bietet dabei einen praktisch nutzbaren Leitfaden, wie Geistiges Eigentum als Motor der Umsetzung der Geschäftsmodelle bzw. zur Erreichung der Geschäftsziele nutzbar gemacht werden kann und aus der Sicht der Geschäftsführung auch muss. Daher: Startet Euer Projekt, um normgerechtes IP-Management sicherzustellen!

IP – what is it?

„Intellectual Property“ – kurz „IP“ – bzw „Geistiges Eigentum“ sind aus der „Alltagssprache“ nicht mehr wegzudenken: „Wir müssen uns durch unser IP die Alleinstellung am Markt sichern“, verlangen die Investoren bzw. die Geschäftsführung von ihren Unternehmen. Doch wie GEISTWERT aus der Erfahrung aus der Markenbildung der auf Geistiges Eigentum, Informationstechnologie und Life Science spezialisierten Rechtsanwaltskanzlei weiß, wird der Begriff „IP“ auch von Menschen, die in diesem Bereich beruflich tätig sind, meist nur zum Teil korrekt eingeordnet. Daher wurden die für die Kanzlei entwickelten Marken-Entwürfe mit Anspielungen auf den IP-Begriff vom angesprochenen Markt schlicht nicht erkannt bzw. verstanden, sodass schließlich vor 5 Jahren GEISTWERT als Marke aus der Taufe gehoben wurde; wer mehr dazu wissen will, kann das „Geburtstagsvideo“ der Kanzlei „nachsehen“ [Link]. Inzwischen haben wir es ja auch geschafft, GEISTWERT in unsere Firma zu bekommen [Link].

Jedenfalls gibt es kein Unternehmen, welches nicht über IP bzw immaterielle Werte verfügt. Unterschiedliche Gesetze schützen IP: angefangen vom Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch, welches die Namensrechte regelt, über die Gesetze zu registrierten gewerblichen Schutzrechten, wie insbesondere Marken, Patenten und Designs, über Marketing- bzw Lauterkeitsrecht samt lauterkeitsrechtlichen Leistungsschutz und dem Schutz von Geschäftsgeheimnissen, und dem Urheberrechtsgesetz zu Leistungsschutzrechten bis hin zum Urheberrecht und dem Urheberpersönlichkeitsrecht der Künstler. Diesem bunten Strauß an gesetzlichen Regelungen ist aber eines gemeinsam: den Rechteinhabern kommt ein gesetzliches „Ausschließungsrecht“ zu, sodass sie es Dritten verbieten können, das „IP“ ohne Gestattung des Rechteinhabers zu nutzen. Die unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen lassen bereits erahnen, dass es unterschiedliche Schutzvoraussetzungen gibt, damit das Verwertungsmonopol gesetzlich gewährt wird: genügt es für den urheberrechtlichen Schutz, dass ein Werk geschaffen wurde, oder Namensrechte durch Geburt oder Nutzung entstehen, bedarf es bei anderen Schutzrechten besonderer Maßnahmen, wie etwa entsprechender Investitionen (zB Datenbankschutz), Schutzmaßnahmen (zB bei Geschäftsgeheimnissen) oder Verkehrsgeltung (zB lauterkeitsrechtlicher Ausstattungsschutz), oder gar einer behördlichen Registrierung (zB Marken, Patente, Geschmacksmuster). Die unterschiedlichen IP-Rechte gewähren auch unterschiedliche Schutzbereiche, sowohl was den Schutz an sich als auch die Ausnahmen betrifft. Der Gesetzgeber hat nämlich immer danach getrachtet, die gewährten Monopolrechte in einen Ausgleich mit den Allgemeininteressen zu bringen, insbesondere „freie Nutzungen“ zu ermöglichen. Ist zB der urhebergesetzliche Schutzbereich sehr weit, weil er grundsätzlich nicht zwischen Privat- und Geschäftsnutzung unterscheidet, so bestehen zahlreiche Schutzschranken, insbesondere für den privaten und eigenen Gebrauch.

IP – jeder kocht sein Süppchen!

Dafür, dass ein Unternehmen weiß, welche IP-Rechte für das Unternehmen bestehen, bzw. welche IP-Rechte das Unternehmen zu kreieren beabsichtigt, bedarf es aufgrund der unterschiedlichen Voraussetzungen eines entsprechenden IP-Management Systems (IPMS). Das IPMS hat natürlich „IP von der Wiege bis zur Bahre“ zu umfassen, also ein ganzheitliches Bild des Unternehmens mit dem Umgang mit IP und den Rechten daran zu zeichnen. Dabei sei darauf hingewiesen, dass die Geschäftsführung ja schon ganz allgemein dazu verpflichtet ist, alles zu tun, was dem Unternehmen nutzt und alles zu unterlassen hat, was dem Unternehmen schaden könnte. Das Heben von Potenzialen im Zusammenhang mit IP einerseits und die Vorbereitung auf den Angriff Dritter mit (angeblichen) IP-Rechten ist daher schon seit jeher eine notwendige Management-Aufgabe der Geschäftsführung. Mit der nunmehr vorliegenden DIN zu IPMS wird dies aber auditierbar und bewertbar.

Obschon immaterielle Werte in nahezu jedem Unternehmen wertbestimmend sind, findet in vielen Unternehmen kein Management, also Planung, Umsetzung und Verbesserung, von IP-Strategien statt. Die unterschiedlichen Unternehmensteile kochen meist ihr eigenes IP-Süppchen, wobei auch oft aus den Augen verloren wird, dass IP zwei Seiten hat: einerseits können durch eigenes IP Dritten gewisse Verwertungshandlungen verboten werden, andererseits können eigene Handlungen in IP-Rechte Dritter eingreifen und daher verboten werden. Allein schon durch diese Angriffs- bzw. Verletzungsdimension wird IP in den einzelnen Unternehmensteilen äußerst unterschiedlich betrachtet. Es bedarf vielmehr der interdisziplinären Zusammenarbeit, um erfolgreich eine IP-Strategie zu entwickeln und umzusetzen. Entsprechend soll das IPMS den Unternehmenszweck fördern, was nach der DIN durch folgende Maßnahmen erreicht werden soll:

  • IP-Planung, also Festlegung der ausformulierten Ziele, welche IP-Strategie das jeweilige Unternehmen verfolgt, insbesondere welche Geschäftsmodelle mit dem IP umzusetzen bzw. welche Geschäftsziele mit dem IP zu erreichen sind (Abschnitt 6 der DIN);
  • Unterstützung des IP-Managements, nämlich der bewussten Fragestellung, wie die IP-Strategie umgesetzt werden soll, etwa durch Kooperationsmöglichkeiten, Akquisition, oder doch durch Eigenleistungen, wobei diese Fragen wohl nur durch entsprechendes IP-Bewusstsein auf allen Entscheidungsebenen des Unternehmens beantwortet werden können (Abschnitt 7 der DIN);
  • Bewertung des (geplanten) IPs, also insbesondere Monitoring bzw. Bewertung, welches IP für die Kunden für den Erwerb der Unternehmensleistung (mit)entscheidend ist (Abschnitt 8 der DIN);
  • Konkrete Umsetzung (IP-Administration) bzw. Erbringung von IP-Leistungen, also insbesondere die systematische Identifizierung von bestehender IP, insbesondere die laufende Dokumentation, welche auch als Beweismittel geeignet sein sollte; systematische und zielkonforme Gestaltung von IP-Portfolios; Simulation der kreativen Leistungen zur Schaffung von IP bzw. IP Rechten oder Beurteilung von Akquisition von IP bzw. auch des Verkaufs bzw. der Aufgabe von IP-Rechten (Abschnitt 8 der DIN);
  • Planung der Durchsetzung bzw Verteidigung von IP-Rechten, insbesondere Risikoevaluierung samt „Krisenplänen“, laufende Aufbereitung von Beweismitteln und Festlegung von Prozessen im Fall der „Krise“ im Sinne eines aktiven oder passiven Verletzungsverfahrens, einschließlich der Auswahl von internen und externen Beratern (Abschnitt 8 der DIN);
  • Nachvollziehbare und geordnete IP-Management-Bewertung und IP-Reporting sollen zur Herstellung von Transparenz und als Grundlage für die Verbesserung des IPM(S) dienen (Abschnitt 9 und 10 der DIN).

Diese Maßnahmen zeigen, dass die DIN das IPMS primär als Kommunikationsdisziplin versteht: es soll durch geordnete Kommunikation verhindert werden, dass inkonsistente IP-Strategien verfolgt werden, welche dann nur per Zufall dem Unternehmenszweck dienen. Dementsprechend ist es auch notwendig, im Rahmen des IPMS nicht aus den Augen zu verlieren, dass bestimmte Gegebenheiten und Strukturen in den Unternehmen berücksichtigt werden müssen (Abschnitt 4 der DIN): der Kontext der Organisation, die Führung des Wirtschaftsbetriebs und die Ressourcen, die für den Aufbau und den Betrieb eines IPMS vorhanden bzw. notwendig sind.

IPMS ist nicht „Register-Administration“

Wie oben bereits angesprochen, sind ein Großteil der gewerblichen Schutzrechte sogenannte Registerrechte, welche also (mit oder ohne behördliche Prüfung) von Marken- bzw Patentämtern registriert werden müssen, damit die Ausschließungsrechte entstehen. Nach Registrierung sind die Rechte dann regelmäßig (zB Patente jährlich und Marken alle 10 Jahre) bis zu einer etwaigen maximalen Schutzdauer (zB Patente grundsätzlich nach 20 Jahren) bei den Ämtern verlängerbar. Die Kommunikation mit den Ämtern und die Verwaltung des Registerstands führt zu einem relativ hohen Aufwand, der oft als „IP-Portfolio-Administration“ bezeichnet wird. Diese „Register-Administration“ ist aber eine bloße Verwaltung und in der Regel keine Gestaltung, also kein Management, von IP-Portfolios.

IP-Management bedarf (Geschäftsführungs)Entscheidungen. Dementsprechend muss das IPMS durch interdisziplinäre Teams in der Organisation auf- und umgesetzt werden. Es sind dabei in einer „agilen Zusammenarbeit“ die Grundlagen für Entscheidungen der Geschäftsführung für eine IP-Strategie zu schaffen. Daher sind die unterschiedlichen Stakeholder in das IPMS zwingend einzubinden, um ein geschäftsmodell-, wertschöpfungs– und prozessorientiertes und daher DIN-konformes IPMS aufzusetzen und zu betreiben. Das IPM(S) muss nämlich ein stimmiges Element des „Gesamtsystems Unternehmen“ sein. Dementsprechend kann es eine laufende Wechselwirkung zwischen Geschäftsmodellen und IP-Management geben, insbesondere dann, wenn – wie in den letzten Jahren nahezu laufend – durch den Gesetzgeber Änderungen des IP-Rechtsrahmens erfolgen. Ein funktionierendes IPMS trägt es auch zu einer IP-Risikominimierung in der gesamten Lieferkette bei: Ist abgesichert, dass eigene Leistungen nicht in IP-Rechte Dritter eingreifen, reduziert dies auch das Risiko bei den Kunden!

Die DIN berücksichtigt durchaus, dass die IP-Strategie konkret und anhand der Geschäftsmodelle und der Größe der Unternehmen zu entwickeln ist; mit anderen Worten: „one size fits all, does not work here!“ Daher gibt die DIN in Abschnitt 5 einen praktisch wertvollen Leitfaden vor, wie passende IP-Strategien in Unternehmen entwickelt und als IP-Politik festgelegt und bekannt gemacht werden können.

IP muss auch durchgesetzt werden

Mit dem IP-Rechten ist es ähnlich, wie mit „stell‘ dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“: die Ausschließungsrechte, welche das Geistige Eigentum gewähren, sind wert- und sinnlos, wenn sie nicht durchgesetzt werden. Ein Unternehmen muss daher nicht nur Strategien entwickeln, IP zu erarbeiten bzw. zu akquirieren, sondern auch gewillt sein und gelernt haben, dass und wie die Ausschließungsrechte effizient und kostenbewusst zugunsten des Unternehmens durchgesetzt werden können. Es bedarf daher auch einer entsprechenden Planung im Rahmen des IPMS wann und wie (potentielle) Verletzungen der IP-Rechte verfolgt und durchgesetzt werden.

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass der Gesetzgeber IP-Rechtsverletzungen – anders als viele Verletzer, insbesondere im Internet – nicht auf die leichte Schulter nimmt und vorsätzliche IP-Rechtsverletzungen auch als gerichtliche Straftatbestände formuliert hat.

Im Lichte der nunmehr vorliegenden DIN kann daher jedem Unternehmen bzw deren Geschäftsführung nur geraten werden, Projekte zur Einführung von IPMS aufzusetzen, um einerseits der Pflicht zum Heben des Potentials der IP nachzukommen und anderseits das Risiko von IP-Verletzungen zu verringern.

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