GEISTWERT in DerStandard zu „Verspätete Offenlegung von Bilanzen ist lauterkeitswidrig“

17.01.2024

DerStandard 16.01.2024:

Späte Bilanzen sind wettbewerbswidrig 

Der Signa-Konzern hat seine Jahresabschlüsse zu spät vorgelegt. Nunmehr werden schärfere Konsequenzen bei Nicht-Offenlegung diskutiert. Bis dahin könnte das Lauterkeitsrecht Abhilfe schaffen.

Max W. Mosing und Rainer Schultes sind Partner von GEISTWERT Rechtsanwälte und spezialisiert auf IP/ IT/ Life Science

Investoren, Gläubiger und die Öffentlichkeit müssen sich über die wirtschaftliche Lage großer Unternehmen informieren können. Kapitalgesellschaft sind deshalb dazu verpflichtet, ihre Jahresabschlüsse zeitgerecht beim Firmenbuch einzureichen. Doch im Signa-Konzern hat man das wohl bewusst unterlassen und die relativ niedrigen Strafen jahrelang in Kauf genommen.

Nunmehr werden Verschärfungen bei den rechtlichen Konsequenzen diskutiert. Zuletzt schlug etwa Justizministerin Alma Zadic (Grüne) vor, die Strafen zu erhöhen. Bis dahin sind aber vor allem Mitbewerbern nicht die Hände gebunden: Bei Verstößen gegen die Offenlegungspflicht kann auch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Abhilfe schaffen.Jeder Gesetzesverstoß im geschäftlichen Verkehr ist nämlich als „Wettbewerbsvorsprung durch Rechtsbruch“ grundsätzlich auch lauterkeitswidrig. Das kann von Mitbewerbern und deren Schutzverbänden, aber auch von Arbeiter-, Wirtschafts-, Landwirtschaftskammer, vom ÖGB oder von der Bundeswettbewerbsbehörde mit Unterlassungsansprüchen verfolgt werden. Die säumigen Unternehmen können so dazu gezwungen werden, ihre Abschlüsse zu veröffentlichen.

Per einstweiliger Verfügung kann vor dem Handelsgerichten relativ rasch ein Unterlassungstitel erwirkt werden. Wird diese Entscheidung nicht befolgt, drohen exekutionsrechtliche Geldstrafen von bis zu EUR 100.000 pro Tag des Verstoßes – solange, bis der gesetzmäßige Zustand wieder hergestellt ist. Besonders effektiv ist das auch deshalb, weil ein Unterlassungstitel nach dem UWG sowohl gegen die verletzende Gesellschaft als auch gegen die unmittelbar Handelnden, in der Regel also gegen die Geschäftsführung, erwirkt werden kann. Wird der Unterlassungstitel endgültig von den Gerichten bestätigt und besteht ein – in der Regel anzunehmendes – öffentliches Interesse, können die Kläger das Urteil auf Kosten des Beklagten in geeigneten Medien veröffentlichen lassen.

Anders als in Deutschland: Bloße Spürbarkeit reicht

Dass Gesetzesverstöße grundsätzlich auch lauterkeitswidrig sind, macht Österreich wieder ein bisschen anders als Deutschland: Das deutsche UWG adressiert nämlich ausschließlich den Bruch wettbewerbsregelnder Normen (wozu freilich die allermeisten Gesetze zählen). In Österreich ist die Rechtsprechung großzügiger: Da reicht schon eine lauterkeitsrechtliche Spürbarkeit des Gesetzesverstoßes. Das heißt, der Gesetzesverstoß muss zumindest geeignet sein, den Wettbewerb zum Nachteil der rechtstreuen Mitbewerber zu beeinflussen.

Dazu haben die österreichischen Gerichte schon ausgesprochen, dass die Offenlegung des Jahresabschlusses hauptsächlich der Unterrichtung Dritter dient, die die buchhalterische und finanzielle Situation der Gesellschaft nicht hinreichend kennen oder kennen können. „Dritter“ ist demnach jeder Interessierte, insbesondere auch der Wettbewerber, welcher den Bruch der Offenlegungsverpflichtungen auch per UWG durchsetzen kann (OGH 24.03.2009, 4Ob229/08t).

Laut OGH liegt in der Verletzung der Offenlegungspflicht liegt ein sonstiges unlauteres Verhalten, das geeignet ist, den Wettbewerb zum Nachteil von Mitbewerbern nicht bloß unerheblich zu beeinflussen. Legen einzelne Gesellschaften ihren Jahresabschluss offen, während andere die Offenlegung verweigern, so hat dies Auswirkungen auf die Stellung dieser Unternehmen im Wettbewerb. Denn die Kenntnis der wirtschaftlichen Lage kann sowohl das Verhalten der Marktgegenseite (Kunden, Lieferanten oder auch Kreditgeber) als auch jenes der Mitbewerber beeinflussen.

Die Verpflichtung zur Offenlegung des Jahresabschlusses trifft nach den europarechtlichen Vorgaben auch die Gesellschaft selbst. Zwar kann die Gesellschaft diese Verpflichtung nur durch ihre Organe erfüllen, deren Säumnis ist jedoch ihr selbst zuzurechnen. Auch wenn Zwangsstrafen ausschließlich gegen Organe angeordnet werden können, ist dies nach dem Gesetzeswortlaut „unbeschadet der allgemeinen unternehmensrechtlichen Vorschriften“. Da der Schutzzweck der Offenlegungspflicht auch die Mitbewerber erfasst, kann sie daher mit dem UWG durchgesetzt werden.

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