Festplattenabgabe Reloaded

Die Festplattenabgabe ist wieder in der öffentlichen Diskussion. Nur diesmal kommt sie in gesetzlicher Form daher.

In Österreich sind zuletzt zwei wesentliche gerichtliche Entscheidungen zur Festplattenabgabe ergangen, nämlich OGH, 17.12.2013, 4 Ob 138/13t (Hewlett-Packard), und OLG Wien, 30.1.2014, 5 R 265/12w (Nokia). Beide Gerichte kamen zum Schluss, dass Smartphone-Datenspeicher und Festplatten grundsätzlich der Urheberrechtsabgabe unterliegen, auch wenn der entsprechende § 42b UrhG diese nicht explizit nennt. Der OGH begründete seine Entscheidung unter anderem mit dem technischen Wandel, der seit der Gericom-Entscheidung im Jahr 2005 (OGH, 12. 7. 2005, 4 Ob 115/05 y) stattgefunden hat. Der OGH hat den Verwertungsgesellschaften dabei die Erbringung des Beweises freigestellt, dass „urheberrechtlich geschütztes Material“ tatsächlich im vorgebrachten Umfang auf Festplatten gespeichert wird. Sowohl in der Hewlett-Packard-Entscheidung als auch in der Nokia-Entscheidung wurde der ersten gerichtlichen Instanz weiters aufgetragen, Feststellungen zu treffen, die iS der Amazon-Entscheidung (OGH, 23.9.2013, 4 Ob 142/13 f) für die Beurteilung der Unionsrechtskonformität des Systems der sogenannten „Leerkassettenvergütung“ erforderlich sind.

Im Lichte der Padawan-Entscheidung (EuGH, Rs C-467/08) hatte sich eine einzige entscheidungsrelevante Gretchenfrage gestellt, welche die erste gerichtliche Instanz beantworten hätte müssen: Erleiden die Urheber durch die Anfertigungen von zulässigen Privatkopien in Österreich (i)  zumindest einen „geringfügigen“ oder (ii) bloß einen „nicht geringfügigen Nachteil„? Die Festplattenabgabe ist daher ein pauschalierter Schadenersatz und nur im ersten Fall wäre eine Festplattenabgabe überhaupt unionrechtskonform. Im zweiten Fall würde den Urhebern die Festplattenabgabe gar nicht gebühren; sie wäre in diesem Fall vollkommen ausgeschlossen.

Die Frage, ob ein zumindest geringfügiger Nachteil oder eben ein nicht geringfügiger Nachteil durch Privatkopien in Österreich entsteht, hätte jedenfalls anhand der tatsächlichen Umstände beantwortet werden müssen, also idealerweise im Rahmen einer repräsentativen Umfrage in der Bevölkerung. Die Frage an die österreichischen User hätte dabei lauten müssen: „Haben Sie zulässige Privatkopien auf Ihrem PC/Smartphone/Tablet usw gespeichert und wieviele Megabyte/Gigabyte belegen diese?„. Ohne grundlegende Erläuterungen könnte diese Frage aber aus folgenden Gründen wohl kaum jemand richtig beantworten:

– Vom User lizenzierte („gekaufte“) Werke wurden bereits bezahlt (man denke hier zB an Musikstücke, die von legalen Musikplattformen wie etwa iTunes gekauft werden, wobei die enstprechenden Lizenzbestimmungen es dem User oftmals explizit erlauben, eine bestimmte Anzahl von Kopien anzufertigen, sodass auch diese Kopien keine „echten“ – über die Festplattenabgabe nochmals vergütungspflichtigen – Privatkopien sind);

– Bei den sogenannten „Raubkopien“ handelt es sich nicht um zulässige Privatkopien (vgl dazu explizit EuGH, Rs C-435/12 – ACI Adam/Stichting de Thuiskopie) – Raubkopien können die Festplattenabgabe daher nicht rechtfertigen;

– Software ist von der Privatkopie gänzlich ausgeschlossen (§ 40d Abs 1 UrhG);

– Das Gleiche trifft auch für Kopien ganzer Bücher udn Zeitschriften zu (§ 42 Abs 8 Z 1 UrhG);

– Kopien, die unter Umgehung von technischen Schutzmaßnahmen angefertigt werden, sind unzulässig (§ 90 UrhG) – damit scheiden alle Kopien von DVDs und BluRays aus, da diese mit einem Kopierschutz ausgestattet sind, auch wenn sich dieser leicht austricksen lässt. Legal downloadbare digitale Filmversionen sind wiederum bereits bezahlt worden – sei es zB wiederum über iTunes oder über eine andere offizielle Plattform, wie dies zB auf die digitalen Versionen zutrifft, die man in letzter Zeit zusammen mit der entsprechenden BluRay erwerben kann (hier ist zB an Sonys Ultraviolett Dienst zu denken).

Der österreichische Gesetzgeber hat nun den leichtesten Weg gewählt: In einer Blitz-Aktion hat die umstrittene Urheberrechtsgesetz-Novelle nunmehr den Ministerrat passiert, ohne dass es eine parlamanetarische Diskussion geben soll. Die Begutachtungsfrist bzw diejenige Frist, in der Fachleute (wie zB die Österreichische Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht) ihre Anmerkungen machen bzw ihre Bedenken äußern können, war wieder einmal extrem kurz. Überdies soll das „Festplattenabgaben-Gesetz“ bereits im Oktober 2015 in Kraft treten; die Abgabenhöhe muss von den Interessenverbänden allerdings noch ausverhandelt werden.

Damit wird die maßgebliche Frage nach den tatsächlichen Verhältnissen auf den „österreichischen“ Datenträgern mehr oder weniger elegant einfach per Gesetz umschifft. Die Künstler-Lobby, welche über die Festplattenabgabe ihre „faire Entlohnung“ einfordert, hat sich also zumindest vorerst durchgesetzt, auch wenn sie die schadenersatzrechtliche Natur der Festplattengabe damit ignoriert.

In Wahrheit wurde die Frage nach der Berechtigung der Festplattenabgabe aber bloß auf einen späteren Zeitpunkt vertagt: Streaming und Cloud-Speicher sind weiterhin auf dem Vormarsch. Es wird wohl nicht lange dauern, bis die User all ihre digitalen Kopien auf einen (ausländischen) Cloud-Server auslagern oder urheberrechtlich geschützte Werke überhaupt nur mehr als Stream (aus dem Ausland) konsumieren. Spätestens dann wird die gesetzliche Festplattenabgabe erneut zu hinterfragen sein.

Die Festplattenabgabe könnte sich damit als Eintagsfliege erweisen.

 

 

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