Puls 4 gegen Youtube – Das Providerprivileg

In der Diskussion um die sogenannten Upload-Filter nach der Urheberrichtlinie 2019, die bis zum  7. Juni 2021 umzusetzen ist, wurde der Untergang des Internets befürchtet. Die Auseinandersetzung zwischen Puls 4 und YouTube könnte den umstrittenen Artikel 17 (im Entwurf noch als Artikel 13 bekannt) noch schneller vorwegnehmen.

Host-Provider, also Internet-Provider, die selbst keine Inhalte zur Verfügung stellen, sondern fremde Inhalte lediglich technisch übermitteln sind vom (E-Commerce) Gesetz privilegiert. Sie haften grundsätzlich nicht für Inhalte, die von ihren Nutzern eingestellt werden. Eine Haftung tritt erst ein, wenn der Host-Provider Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt.

Für Rechteinhaber kann dieses Privileg mitunter aufreibend sein, nämlich zB dann wenn sie mit einer Vielzahl von Rechtsverletzungen konfrontiert sind und jede dieser Verletzungen an Host-Provider melden müssen, um dann (hoffentlich) die Entfernung der rechtsverletzenden Inhalte zu bewirken. Ein solches Vorgehen kann durchaus ressourcenintensiv sein, weil der Rechteinhaber natürlich darlegen muss, dass er selbst Rechte besitzt und diese durch den jeweiligen Content verletzt werden.

Der Fernsehsender Puls 4 will sich mit diesem Umstand nicht ohne weiteres abfinden, zumindest im Hinblick auf YouTube, wo wiederholt Inhalte von Puls 4 abrufbar waren. Puls 4 klagte YouTube vor dem Handelsgericht Wien und erwirkte tatsächlich eine Unterlassungspflicht. Das Gericht befand, dass YouTube mit seinen Vermarktungsmöglichkeiten die neutrale Rolle eines Host-Providers verlassen hatte und damit für die abrufbaren Inhalte verantwortlich war.

Details über diese Vermarktungsmöglichkeiten lassen sich in der Rechtsmittelentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien nachlesen. Unter dem Titel „Monetarisierung“ bietet YouTube jenen Nutzern, die Videos hochladen, die Möglichkeit an, Werbung mehr oder weniger dezente Werbung zu schalten. Die Werbeeinschaltungen werden dabei von Google Ireland Limited oder von Drittanbietern zur Verfügung gestellt und je nach Anzahl der Klicks erhält der Uploader des Videos ein Entgelt. Von dieser Monetarisierung profitieren sowohl der Nutzer als auch YouTube finanziell: Beide erhalten einen Teil der Werbeeinnahmen.

Im Zuge der Monetarisierung muss der Nutzer auch bestätigen, dass er alle Rechte an dem Video innehält. YouTube kann entsprechende Nachweise verlangen. Tatsächlich verlangt YouTube mitunter solche Nachweise und kann die Veröffentlichung von Videos oder ganze Accounts sperren. Dies geschieht etwa bei einer Mitteilung über eine Rechteverletzung durch einen Rechteinhaber (einer sogenannten „Take-Down-Notice“). Eine elektronische Erkennung von Inhalten von hochgeladenen Videos findet grundsätzlich (noch) nicht statt, wohl aber bei einer ausreichend begründeten Take-Down-Notice.

Interessant: YouTube bietet als (automatisiertes) Service für Rechteinhaber auch an, rechtsverletzende Videos zu finden und je nach Wunsch des Rechteinhabers zu blockieren oder den Rechteinhaber an den Werbeeinnahmen des (rechteverletzenden) Videos zu beteiligen.

Das Handelsgericht Wien als erste Instanz fand, dass YouTube mit all diesen Leistungen seine Position als neutraler Provider verlässt und sohin nicht mehr in den Genuss des Providerprivilegs kommen könne. Die Kontrolle über Inhalte, ihre Sortierung, Filterung, Verlinkung, das Erstellen von Inhaltsverzeichnissen machten YouTube zu einem Content-Provider.

Das Oberlandesgericht Wien teilte diese Sicht nicht. Die Erzielung von Werbeeinnahmen und die Zurverfügungstellung einer attraktiven Umgebung für Werbende ohne selbst Content zur Verfügung zu stellen, führe nicht aus dem Providerprivileg.

Wenig überraschend war es damit nicht getan. Die Parteien riefen den Obersten Gerichtshof an, welcher nun wiederum den Europäischen Gerichtshof fragt, ob folgende Services von YouTube zu einem Entfall des Providerprivilegs führen:

– Vorschlagen von Videos nach Themenbereichen;

– Erleichterung der Suche für Besucher nach Titel- oder Inhaltsangaben durch ein elektronisches Inhaltsverzeichnis, wobei der Nutzer die Titel- oder Inhaltsangaben vorgeben kann;

– Zurverfügungstellung von Online-Hinweisen über die Nutzung des Dienstes („Hilfe“);

– bei Zustimmung des Nutzers Verbinden des vom Nutzer hochgeladenen Videos mit Werbung (allerdings keine Eigenwerbung des Plattformbetreibers) nach Wahl der Zielgruppe durch den Nutzer?

Damit ergänzt der OGH die Fragen, die der deutsche Bundesgerichtshof ebenfalls in Bezug auf YouTube zu C-682/18 schon an den EuGH gerichtet hat.

Das maßgebende Kriterium für die neutrale Rolle eines Providers besteht somit darin, dass er fremde Inhalte übermittelt und/oder speichert. Diese Qualifikation bedeutet, dass der Provider die fremden Informationen weder auswählt noch verändert. Nach dem EuGH verliert ein Host-Service-Provider sein Haftungsprivileg dann, wenn er in Bezug auf konkret rechtsverletzende Inhalte seine neutrale Tätigkeit aufgibt und eine aktive Rolle übernimmt, die ihm einen Einfluss auf den Inhalt oder eine redaktionelle Kontrolle über den Inhalt verschafft

Das Vorschlagen von Videos nach Themenbereichen und die Erleichterung der Suche nach Titel- oder Inhaltsangaben durch ein elektronisches Inhaltsverzeichnis könne nach Ansicht des OGH allerdings nicht zu einer aktiven Rolle des Host-Providers führen. Der EuGH wird klären, ob die von YouTube erbrachten Begleittätigkeiten, insbesondere die Möglichkeit, dass der Nutzer die von ihm hochgeladenen Videos mit einer Werbung verbindet, zu einer aktiven Rolle als Host-Service-Provider führt. Damit könnte für YouTube unabhängig von den Neuerungen der Urheberrechtsrichtlinie Ungemach drohen.

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