EuGH stärkt selektive Vertriebssysteme beim Internetvertrieb.

Das selektive Vertriebsrecht ist ein Dickicht an Judikaten, Verordnungen und Leitlinien. Vor allem wenn es darum geht, den Internetvertrieb von Vertriebshändlern zu regeln, herrscht große Unsicherheit. Nun gibt es zumindest in einem Teilbereich Klärung durch den EuGH:

Worum geht es?: Coty, ein Hersteller von hochwertigen Parfümerie-Waren hat geklagt, weil ein Händler die Parfüms auf einer sog. Drittplattform (wie etwa Amazon oder ebay) verkauft hat. Das widerspricht dem Luxus- und Prestigeimage der Waren, so Coty.

Der EuGH hat Coty recht gegeben: Ein Verbot eines Anbieters von Luxuswaren an Händler beim Internetverkauf nach außen erkennbare Drittplattformen einzuschalten, ist kartellrechtlich zulässig. Im Juristendeutsch: Art 101 Abs 1 AEUV steht einer solchen Regel nicht entgegen.

Weiters ist eine derartige Regelung auch nicht als unzulässige Beschränkung einer Kundengruppe oder Beschränkung des passiven Verkaufs an Endverbraucher, welche nach nach Art 4 der Gruppenfreistellungs-Vo unzulässig wären, zu werten.

Was sind nun die ersten Schlussfolgerungen daraus:

  • Die erste Schlussfolgerung ist eigentlich eine Frage: Was sind Luxusgüter? Nur für solche ist diese Entscheidung nämlich anwendbar. Die Beantwortung dieser Frage bleibt letztlich den nationalen Gerichten überlassen, wobei der EuGH eine Richtschnur in die Hand gibt: Die Qualität von Luxuswaren beruht nicht alleine auf ihren materiellen Eigenschaften, sondern auch auf ihrem Prestigecharakter, der ihnen eine luxuriöse Ausstrahlung verleiht, die ein wesentliches Element dafür ist, dass der Kunde sich für diese Produkte interessiert. Beschränkungen in selektiven Vertriebssystemen wird man daran messen müssen. Dabei kann es theoretisch je nach Verbraucherwertung in unterschiedlichen Ländern zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen: Mag ein Produkt in einem Mitgliedstaat der EU ein Luxusprodukt sein, so muss dies nicht auf ein anderes Mitgliedsland zu treffen
  • Wichtig auch, was oft übersehen wird: Die Findings des EuGH gelten nicht für nach außen hin nicht erkennbare Drittplattformen. Verschiedene Provider bieten Händlern Online-Shop-Lösungen an, die für den Konsumenten nach außen nicht ersichtlich sind. Diese sind so zu behandeln, wie eigene Online-Shop-Webseiten der Vertragshändler
  • Aus der Entscheidung ergibt sich zwar nicht explizit, dass Einschränkungen des Vertriebs von Markenwaren auf (derartigen) eigenen Webseiten der Händler möglich sind, jedoch sind unseres Erachtens derartigen Einschränkungen zulässig, wenn sie zur Erreichung der oben genannten Richtschnur geeignet sind, und nicht über das notwendige hinausgehen.

Jedenfalls: Es bleibt spannend im Vertriebsrecht!