Speichermedienvergütung (Festplattenabgabe) goes Cloud?

Die Geschichte der österreichischen Speichermedienvergütung („SMV“) ist um ein Kapitel reicher: Nach der österreichischen Gesetzeslage (§ 42b UrhG) gebührt den Urhebern eine bestimmte tarifmäßige Vergütung, wenn von einem durch Rundfunk gesendeten, der Öffentlichkeit (online) zur Verfügung gestellten oder auf einem zu Handelszwecken hergestellten Speichermedium festgehaltenen Werk seiner Art nach zu erwarten ist , dass es durch Festhalten auf einem Speichermedium zum eigenen oder privaten Gebrauch vervielfältigt wird. Nach § 42b Abs 3 UrhG haben grundsätzlich diejenigen Unternehmen die SMV zu leisten, welche die Speichermedien von einer im In- oder im Ausland gelegenen Stelle aus als erster gewerbsmäßig in Verkehr bringen; Zwischenhändler haften dafür als Bürge und Zahler.

Im Fall zur GZ 33 R 50/20w des Oberlandesgerichtes Wien („OLG Wien“) vom 07.09.2020 geht es nunmehr um die grundsätzliche Frage, ob auch die Speichermedien in ausländischen Cloud-Servern der österreichischen Speichermedien unterliegen, wenn sich deren Angebote an österreichische Kunden richten. Legistisch genauer gefragt: Umfasst der gesetzliche Begriff des „In-Verkehr-Bringens“ nicht nur den physischen Verkauf von Speichermedien wie etwa Festplatten, sondern auch das Anbieten von Cloud-Speicher in Österreich?

Nachdem das Handelsgericht Wien („HG Wien“) die Klage der berechtigten Verwertungsgesellschaft AUSTRO MECHANA abgewiesen hatte, lagen vor dem Hintergrund, dass der geklagte Anbieter seinen „HIDrive“-Dienst unter anderem damit bewirbt, dass der Cloud-Speicherplatz „genug Platz dafür biete, Fotos, Musik und Filme zentral an einem Ort abzulegen“, vor dem OLG Wien die folgenden Argumente am Tisch:

Pro:

+ Die Umschreibung „in Verkehr kommen“ stelle nicht auf die physische Verbreitung ab, sondern lasse bewusst Raum für die Einbeziehung aller Vorgänge, die Nutzern im Ergebnis im Inland Speicherplatz zur Vervielfältigung zum (eigenen oder) privaten Gebrauch zur Verfügung stellten. Zusätzlich stelle § 42b Abs 3 UrhG auch klar, dass es nicht darauf ankomme, ob das Inverkehrbringen vom Inland oder vom Ausland ausgehe.

+ Die in § 42b Abs 1 UrhG gewählte Formulierung sei schon nach ihrem Wortlaut bewusst allgemein gehalten, sodass die Speichermedienvergütung auch dann greife, wenn Speichermedien jeder Art im Inland – auf welche Art und in welcher Form auch immer – gewerbsmäßig „in Verkehr kommen“, worunter auch das Bereithalten von Speicherplatz in der „cloud“ zu subsumieren sei.

+ Der österreichische Oberste Gerichtshof habe zur Speichermedienvergütung ausgesprochen, dass auch der Wortlaut einer gesetzlichen Bestimmung einer richtlinienkonformen Auslegung nicht zwingend entgegenstehe. Auch der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) fordere eine richtlinienkonforme Interpretation.

Contra:

– Aus der geltenden Fassung des Urheberrechtsgesetzes ergäbe sich keine Vergütung für Cloud-Services; vielmehr habe der österreichische Gesetzgeber diese Möglichkeit in Kenntnis der technischen Möglichkeiten bewusst nicht umgesetzt.

– Cloud-Dienstleistungen und physische Speichermedien könnten nicht miteinander verglichen werden. Eine Auslegung, die auch Cloud-Dienste umfasse, sei nicht möglich: Es würden keine Speichermedien in Verkehr gebracht, sondern es werde nur Speicherplatz zur Verfügung gestellt. Die Beklagte verkaufe oder vermiete keine physischen Speichermedien nach Österreich. Sie biete nur Online-Speicherplatz auf ihren in Deutschland gehosteten Servern an.

– Die Beklagte habe für ihre Server in Deutschland bereits indirekt (weil vom Hersteller/Importeur eingepreist) die Urheberrechtsabgabe geleistet, und auch die (österreichischen) Nutzer hätten für die Geräte, mit denen Content überhaupt erst in die Cloud geladen werden könne, bereits eine Urheberrechtsabgabe gezahlt. Eine zusätzliche Speichermedienvergütung für Cloud-Speicher würde zu einer doppelten oder gar dreifachen Abgabenpflicht führen.

Das OLG Wien kam zur Auffassung, dass die Auslegung der österreichischen Bestimmungen im Lichte der Info-Richtlinie 2001/29/EG auszulegen sind und es deshalb – im Unterschied zur Ansicht des HG Wien – nicht alleine auf den Wortlaut der österreichischen Umsetzung sowie der diesbezüglich artikulierten Absichten des österreichischen Gesetzgebers ankommen kann. Insofern sei auch die Interpretation des Begriffes „auf beliebigen [Speicher-]Trägern“ des Artikels 5 Abs 2 lit b der Info-Richtlinie ausschlaggebend, auch weil der EuGH bereits ausgesprochen hat, dass das Abspeichern von geschützten Inhalten in einer Cloud einer dem Urheber vorbehaltenen Rechteverwertung gleichkommt (EuGH, C-265/16, VCAST).

Das OLG Wien hat das Verfahren daher ausgesetzt und dem EuGH die folgenden – verkürzten –Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Frage 1: Ist der Begriff „auf beliebigen Trägern“ in Artikel 5 Absatz 2 lit b der Info-Richtlinie dahin auszulegen, dass darunter auch Server Dritter zu verstehen sind, die auf diesen Servern natürlichen Personen Speicherplatz zum privaten Gebrauch zur Verfügung stellen, den die Kunden zum Vervielfältigen durch Abspeichern nutzen („Cloud Computing“)?

Frage 2: Wenn Frage 1 bejaht wird: Ist Artikel 5 Absatz 2 lit b der Info-Richtlinie so auszulegen, dass seine Regelung auch auf die Vergütungsregelung des § 42b UrhG anzuwenden ist, wenn die oben genannte „Cloud-Computing“-Abspeichermethode verwendet wird?

Die Bejahung beider Fragen durch den EuGH würde jedenfalls weitreichende Konsequenzen für inländische und ausländische Cloud-Anbieter haben, da die von Ihnen gegenüber österreichischen Privatkunden angebotenen Cloud-Speicherplätze sodann der SMV unterliegen würden.