OGH zur Abwägung der Interessen iZm der Freiheit der Wissenschaft

Allein schon, weil die Fragestellung der Interessens-/ Rechteabwägung in vielen IP-Rechtsbereichen immer wesentlicher wird, ist die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25.9.2015 (Link zum Volltext von 6Ob182/15f) hinsichtlich der „Rechtssätze“ zum Schutzes der Freiheit der Wissenschaft und Lehre nach Art 17 StGG  und Art 10 EMRK bloggenswert (den NS-Restitutions-Sachverhalt möge der Interessierte selber nachlesen):

Der OGH führt nämlich „allgemeingültig“ aus:

  • „In der Entscheidung 9 Os 49/80 sprach der Oberste Gerichtshof aus, es sei unbestritten, dass durch die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit der Wisssenschaft (Forschung) und ihrer Lehre – solange sie sich im Rahmen der Menschenrechte bewege – Eingriffe in die Rechte Dritter gerechtfertigt würden. […]“
  • „Schutzgegenstand der – auch nach Art 10 EMRK geschützten (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention5, 312) – Freiheit der Wissenschaft sind die auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen bei der Suche nach Erkenntnissen, ihre Deutung und Weitergabe (Hager in Staudinger, BGB [1999] § 823 Rz C 143 mwN aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts; Loritz, Berufsfreiheit, Wissenschafts- und Meinungsfreiheit bei Schriftsätzen und Gutachten von Rechtsanwälten und Wissenschaftlern, BB 2000, 2006).“
  • „[…] im Hinblick auf die Freiheit der Berufsausübung und der Wissenschaft scheiden insoweit daher Unterlassungs- und Widerrufsansprüche in der Regel aus (Palandt, BGB74 [2015] § 823 Rz 112).“
  • „Zudem hängt der verfassungsrechtliche Schutz der Wissenschaft nicht von der Richtigkeit der Methoden und Ergebnisse ab, ebensowenig von der Stichhaltigkeit der Argumentation oder der Vollständigkeit der verwendeten Gesichtspunkte und Belege. Über ihr Resultat kann wiederum nur mit wissenschaftlichen Methoden befunden werden (Hager aaO). Selbst allfällige Einseitigkeiten und Lücken würden die Annahme von Wissenschaft nicht grundsätzlich ausschließen; der Begriff ist vielmehr weit zu verstehen (Hager aaO mwN). Für die Reichweite des Schutzes nach Art 10 EMRK ist auch unerheblich, ob es sich um eine Minderheitenmeinung in der Wissenschaft handelt (EGMR 25. 8. 1998, Hertel gegen Schweiz, Beschwerde Nr 25181/94 Rz 50; Grabenwarter/Pabel aaO). Anderes würde nur dann gelten, wenn das betreffende Werk den Wissenschaftlichkeitsanspruch systematisch verfehlt, namentlich weil es nicht nach Wahrheit sucht, sondern vorgefassten Meinungen lediglich den Anschein wissenschaftlicher Methode gibt (Hager aaO; vgl auch schon 9 Os 49/80 zu Beschimpfungen und Schmähungen in einer wissenschaftlichen Arbeit). Indiz dafür ist, dass bestimmte Quellen und Ansichten systematisch ausgeblendet werden (Hager aaO mwN). Hingegen ist für die Beurteilung eines Werks als wissenschaftlich oder nicht wissenschaftlich die Bezeichnung durch den Autor ebensowenig entscheidend wie das Bestreiten der Wissenschaftlichkeit durch andere (Hager aaO mwN aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).“