Mediale „Wieder-Veröffentlichung“ von Facebook-Fotos: Abwägung der Interessen im Einzelfall!

Facebook ist beliebter „Fundus“, auch von Fotos für Medien, welche diese ungefragt weiterverwenden. Zwei jüngste Entscheidungen, welche die (angeblichen) Grenzen der Veröffentlichung von bereits auf Facebook veröffentlichten Fotos aufzeigen, werden dargestellt. Einleitender Kommentar: Es ist bei einer Bildnisveröffentlichung ohne Zustimmung zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums als Ausfluss der freien Meinungsäußerung eine Interessenabwägung vorzunehmen. Gestützt auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte schlägt bei einem im Kern wahren Sachverhalt dies regelmäßig zugunsten des Mediums aus. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich aber stets am Einzelfall zu orientieren, sodass das betreffende Bildnis nicht isoliert zu beurteilen ist, sondern auch die Art der Verbreitung und der Rahmen, in welchem das Bild gestellt wurde, zu berücksichtigen ist. Wie schwierig das im Einzelfall sein kann, zeigen die beiden zitierten Entscheidungen:

Oberster Gerichtshof, 30.03.2016, 6Ob14/16a (Link) – „Facebook-Fotomontage“: Die Klägerin veröffentlichte ein Lichtbild, an dem sie über sämtliche Rechte verfügte, auf www.facebook.com. Die beklagte Medieninhaberin veröffentlichte dieses Lichtbild ohne Urheberbezeichnung auf ihren Websites. Vom 25. 9. 2013 bis 9. 12. 2013 hielt die Beklagte dieses Lichtbild darüber hinaus in manipulierter Form mit Einbettung in ein Video abrufbar, wobei der Klägerin im Begleittext eine bestimmte sexuelle Ausrichtung unterstellt wurde.

Der OGH sprach aus, dass es sich bei dem durch § 78 Urheberrechtsgesetz (UrhG) geschützten Recht am eigenen Bild um ein Persönlichkeitsrecht iSd § 16 ABGB handelt. Durch diese Bestimmung soll jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit geschützt werden, also insbesondere auch dagegen, dass er durch Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, dass dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt. Schutzgegenstand dieser Bestimmung ist nicht die Abbildung an sich, sondern die damit verbundenen Interessen des Abgebildeten.

Das Interesse am Unterbleiben einer Bildnisveröffentlichung kann jedoch mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung sowie dem Informationsinteresse der Allgemeinheit in Konflikt geraten. Daher ist zwischen dem Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten und dem Veröffentlichungsinteresse des Mediums als Ausfluss der freien Meinungsäußerung eine Interessenabwägung vorzunehmen, welche bei einem im Kern wahren Sachverhalt regelmäßig zugunsten des Mediums ausschlägt. Die vorzunehmende Interessenabwägung hat sich dabei stets am Einzelfall zu orientieren. Im Rahmen der hier gebotenen Interessenabwägung ist das betreffende Bildnis nicht isoliert zu beurteilen, sondern auch die Art der Verbreitung und der Rahmen, in welchem das Bild gestellt wurde, zu berücksichtigen.

Die Veröffentlichung von Bildnissen in sozialen Netzwerken wie Facebook bewirkt regelmäßig nur eine bestimmte, vom Betroffenen gewünschte Öffentlichkeit. Die Veröffentlichung durch ein Massenmedium setzt sich über diese Begrenztheit hinweg und vermag eine potentielle unbeschränkte raum- und zeitüberwindende Publizität herzustellen. Mit einer derartigen Veröffentlichung ist ein „Sphärensprung“ verbunden, der die Grenzen unterschiedlicher Sichtbarkeit der Person aufhebt. Dem bloßen Umstand, dass die Klägerin ihre Fotos auf Facebook öffentlich gepostet hat, ist aus Sicht eines redlichen Erklärungsempfängers nicht der Erklärungswert zu entnehmen, dass sich die Klägerin auch mit der Verwendung ihrer Fotos in einem anderen Medium, das sich zwangsläufig zumindest teilweise an einen anderen Personenkreis richtet, und versehen mit Kommentaren zu ihrer sexuellen Einstellung sowie unter Manipulation eines der Fotos dadurch, dass eine die Klägerin küssende weitere weibliche Person hinzukopiert wurde, einverstanden erklärte. Selbst wenn die Klägerin zu ihrer sexuellen Orientierung steht, kann daraus nicht der Schluss gezogen werden, dass sie auch mit der Verwendung ihrer Fotos in einem anderen Medium, noch dazu in teilweise manipulierter Form und mit Kommentaren über ihre sexuellen Präferenzen, einverstanden ist.

Der OGH referenziert auch nach Deutschland, aber noch nicht auf die unten zitierte Entscheidung des Oberlandesgericht München: Das Oberlandesgericht Köln (15 U 107/09) habe zwar im Hochladen eines Selbstbildnisses auf eine öffentliche Internetplattform eine zumindest konkludente Einwilligung in den Zugriff von Personensuchmaschinen erblickt; diese Auffassung kann aber jedenfalls nicht auf die Veröffentlichung geposteter Bildnisse in einem anderen Medium mit Manipulation einzelner Fotos und Hinzufügen eines die sexuelle Orientierung kommentierenden Begleittextes übertragen werden: Mit der Veröffentlichung von Bildnissen in sozialen Netzwerken nimmt der Nutzer zwar in Kauf, dass die betreffenden Inhalte – je nach über die Privatsphäre-Einstellungen selbst modifizierbarer Reichweite der Einwilligung – einer größeren Personenzahl aus dem Kreis der Nutzer der Plattform zugänglich sind. Darüber hinaus wird der Nutzer auch mit einer Verwendung im Rahmen von Vorschaubildanzeigen auf Suchmaschinen und ähnlichem rechnen, soweit dagegen keine technischen Vorkehrungen getroffen werden. Keinesfalls muss der Betroffene aber mit der Weiterverbreitung des Bildnisses auf anderen Medien rechnen.

An dieser Beurteilung können auch die vom Rechtsmittelwerber eingewendeten Geschäftsbedingungen von Facebook nichts ändern. Dort ist zwar auch davon die Rede, dass eine „nicht-exklusive, übertragbare, unterlizenzierbare, gebührenfreie, weltweite Lizenz für die Nutzung jedweder IP-Inhalte“ an Facebook übertragen wird. Außerdem wird darauf hingewiesen, dass, wenn der Nutzer die Einstellung „öffentlich“ bei der Veröffentlichung von Inhalten verwendet, alle Personen einschließlich solcher, die Facebook nicht nutzen, auf diese Informationen zugreifen, sie verwenden und sie mit dem Namen und Profilbild des Nutzers assoziieren können. Mit der zitierten Formulierung wird nicht mit der erforderlichen Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht, dass damit auch die Zustimmung zur Veröffentlichung geposteter Inhalte in einem anderen Medium erteilt wird. Eine zu weite – noch dazu unentgeltliche – Rechteeinräumung in AGB in diesem Zusammenhang könnte zudem wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot unwirksam sein. Bei Unklarheiten über die Reichweite der erteilten Einwilligung ist nach herrschender Auffassung auf die urheberrechtliche Zweckübertragungstheorie abzustellen, nach welcher der Berechtigte im Zweifel nur jene Rechte erwirbt, welche für den praktischen Zweck der Veröffentlichung erforderlich sind. Entscheidend ist daher letztlich Zweck und Rahmen der Bildnisveröffentlichung. Aus den dargelegten Erwägungen kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagten ein Werknutzungsrecht iSd § 18a UrhG eingeräumt wurde, fehlt doch jede Grundlage für die Annahme, dass mit dem Posten auch eine Einwilligung zur kommerziellen Nutzung der geposteten Inhalte durch Dritte verbunden war.

Die Benutzung wurde daher – im Ergebnis wohl aufgrund der Fotomontage und des Begleittexts zum Sexualleben – untersagt, einfaches Entgelt für die Benutzung und Schadenersatz zugesprochen.

Ob hingegen die folgende deutsche Entscheidung zu „Hass auf Flüchtlinge – … stellt die Hetzer an den Pranger“ im Lichte der oben erwähnten Rechtsprechung des EGMR halten wird, kann durchaus bezweifelt werden: OLG München, 17.03.2016, 29 U 368/16 (Link) – „Internetpranger“: Die Antragstellerin nutzt das soziale Netzwerk „Facebook“ und hat dort einen Eintrag „gepostet“. Die Antragsgegnerin bietet unter „www.****.de“ die Online-Ausgabe der ****-Zeitung an und hat den Eintrag der Antragstellerin dort per Sceenshot mit dem „flüchtlingsbezogenem“ Text der Antragstellerin und deren Foto wiedergegeben; der Text lautete: „Wie die Tiere und noch schlimmer, alles rennt zum gutgefüllten Futternapf, mal sehen wo Sie hin rennen, wenn unser Napf leer gefressen ist ????“ Andere wiedergegebene Postings waren (noch) hetzerischer.

Das OLG München untersagte und sprach aus: Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte dürfen zwar auch ohne die sonst erforderliche Einwilligung verbreitet und zur Schau gestellt werden, aber nur sofern berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden. Maßgebend ist hierbei das Interesse der Öffentlichkeit an vollständiger Information über das Zeitgeschehen, wobei dieser Begriff zu Gunsten der Pressefreiheit in einem weiten Sinn zu verstehen ist. Er umfasst nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung, sondern alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse. Allerdings besteht ein solches Informationsinteresse nicht schrankenlos. Vielmehr wird der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit begrenzt.

Gegenstand der Berichterstattung der Antragsgegnerin ist die Flüchtlingskrise und damit ein Vorgang von historisch-politischer Bedeutung. Es steht folglich außer Frage, dass es Aufgabe der Antragsgegnerin ist, die in Politik und Gesellschaft geführte Flüchtlingsdebatte in ihrer Berichterstattung aufzugreifen, abzubilden und auch zu bewerten. Dazu zählt selbstverständlich auch die kritische Würdigung der Haltung bestimmter Bevölkerungskreise, die dem Zuzug von Flüchtlingen ablehnend gegenüberstehen. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Berichterstattung – etwa zur Darstellung der Stimmungslage in der Bevölkerung – Äußerungen wie die der Antragstellerin wiedergibt, mit denen sich einzelne Personen in der Flüchtlingsdebatte außerhalb ihres privaten Umfeldes zu Wort gemeldet haben. Die Antragstellerin räumt selbst ein, dass zumindest einige hundert Personen ihren Interneteintrag bei Facebook gelesen haben, so dass die fragliche Äußerung nicht mehr als rein privat bewertet werden kann. Die Antragstellerin hat sich mit ihrer Äußerung bewusst in die Öffentlichkeit gewagt und darf sich daher nicht wundern, wenn die Antragsgegnerin diese Äußerung in ihrer Berichterstattung aufgreift, um den Informationsanspruch des Publikums zu erfüllen und damit auch einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten.

Es besteht allerdings nach Ansicht des OLG München kein berechtigtes Interesse der Antragsgegnerin, die Antragstellerin im Rahmen der Wiedergabe ihrer Äußerung durch die Abbildung eines mit ihrem Namen versehenen Fotos kenntlich zu machen. Denn es ist nicht erkennbar, welche Bedeutung es für eine sachbezogene Erörterung der in der Flüchtlingsdebatte in einem Interneteintrag geäußerten Meinung einer beliebigen Person aus Sicht des angesprochenen Publikums haben könnte, zu wissen, wie diese Person heißt und aussieht. Zur Darstellung des Meinungsbildes und dessen Bewertung durch die Antragsgegnerin bedarf es lediglich der Mitteilung der Äußerung selbst. Das Bildnis einer Person wird nicht schon dadurch zu einem solchen der Zeitgeschichte, dass sich die fragliche Person in einem Interneteintrag zum Zeitgeschehen geäußert hat.

Die mit ihrem Facebook-Eintrag erfolgte partielle Selbstöffnung der Privatsphäre der Antragstellerin ist allerdings nicht mit der von der Antragsgegnerin vorgenommenen und als „Pranger“ bezeichneten Wiedergabe der mit Foto und Namen versehenen Äußerung in einem Massenmedium gleichzusetzen: Die Breitenwirkung, welche die Antragsgegnerin mit ihrer Bildnisveröffentlichung erzielt hat, geht weit über das hinaus, was der Antragstellerin mit ihrem Facebook-Eintrag möglich war. Der von der Antragstellerin tatsächlich angesprochene Personenkreis beschränkt sich auf diejenigen Personen, denen die Antragstellerin entweder bereits namentlich bekannt war oder die ihre Äußerung im Rahmen des auf Facebook geführten Meinungsaustauschs zur Kenntnis genommen haben.

Spannend ist der wohl entscheidungswesentliche Ausspruch des OLG München: „Die Antragstellerin hat mit ihrem Eintrag aber nicht alle potentiellen Internetnutzer oder auch nur das Publikum der Antragsgegnerin angesprochen. Der Eintrag der Antragstellerin und ihr Foto waren, wie die Demonstration im Termin vor dem Landgericht zeigt, eben nur bei gezielter Eingabe des Namens der Antragstellerin und damit eben gerade nicht für jeden Internetnutzer ohne weiteres auffindbar.