Der Oberste Gerichtshof (OGH 17.09.2014, 6 ObA 1/14m) hatte die Auskunftsrechte des Betriebsrats dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Datenschutz gegenüberzustellen. Das wohl Vielen geläufige Auskunfts-Abblockargument „aus datenschutzrechtlichen Gründen können wir nicht …“ zog hier nicht:
Der klagende Betriebsrat begehrte Einsicht in Gehalts- und Lohnabrechnungen aller Mitarbeiter. Da sich mehrere Mitarbeiter sowohl mündlich als auch schriftlich gegenüber der Geschäftsführung gegen die Übermittlung derartiger Unterlagen an den Betriebsrat aussprachen und um Geheimhaltung ihrer Daten ersuchten, gewährte das Unternehmen keine Einsicht.
Die stattgebenden Urteile der Unterinstanzen bestätigte der OGH: § 31 DSG 1978 sah vor, dass die dem Betriebsrat nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zustehenden Befugnisse durch das Datenschutzgesetz nicht berührt werden. Eine derartige ausdrückliche Norm fehlt im DSG 2000. Der Betriebsrat wird nur noch in § 9 Z 11 DSG 2000 erwähnt. Diese Bestimmung regelt die Frage der Zulässigkeit der Verwendung von sensiblen Daten. Sie enthält eine taxative Aufzählung von 13 Gründen, in denen sensible Daten verwendet werden dürfen und sieht (im Unterschied zur Verhältnismäßigkeitsprüfung nach § 8 DSG 2000 betreffend nicht-sensible Daten) keinen Rechtfertigungsgrund der überwiegenden berechtigten Interessen des Auftraggebers vor. Nach § 9 Z 11 DSG 2000 werden schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung sensibler Daten dann nicht verletzt, (i) wenn die Verwendung erforderlich ist, um den Rechten und Pflichten des Auftraggebers auf dem Gebiet des Arbeits- oder Dienstrechts Rechnung zu tragen, und (ii) sie nach besonderen Rechtsvorschriften zulässig ist, wobei die dem Betriebsrat nach dem Arbeitsverfassungsgesetz zustehenden Befugnisse im Hinblick auf die Datenverwendung unberührt bleiben.
Dass die Befugnisse des Betriebsrats durch das DSG 2000 nicht berührt werden, entspricht auch der einhelligen Auffassung im Schrifttum. Für diese Auffassung spricht auch eine historische Interpretation: Ungeachtet des Fehlens einer ausdrücklichen, § 31 DSG 1978 entsprechenden, Bestimmung im DSG 2000 besteht nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber mit Erlassung des DSG 2000 am Verhältnis zwischen dem Datenschutzrecht und dem Arbeitsverfassungsrecht etwas ändern wollte. Vielmehr war der Gesetzgeber offenbar der Meinung, dass die Regelung des § 9 Z 11 DSG 2000 ausreicht. Diese Regelung bezieht sich allerdings lediglich auf sensible Daten. Dieser Bestimmung kommt jedoch eine umfassendere Bedeutung zu, als es aufgrund ihrer systematischen Stellung im DSG den Anschein hat. Sie ist im heutigen System des DSG als Fortschreibung des früher ausdrücklich statuierten Grundsatzes anzusehen, dass die Befugnisse des Betriebsrats durch das DSG nicht berührt werden.
Das gegenständliche arbeitsverfassungsgesetzliche Überwachungsrecht des Betriebsrats besteht auch ohne Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers. Lediglich zur Einsicht in Personalakten und Individualvereinbarungen ist die Zustimmung des betroffenen Arbeitnehmers erforderlich.
Das Arbeitsverfassungsgesetz enthält also ein abgestuftes Model der Einsichts- und Informationsrechte des Betriebsrats und berücksichtigt damit Rücksicht die schutzwürdigen Interessen der Dienstnehmer. Würde man aber gegenständlich eine individuelle Zustimmung der Dienstnehmer für erforderlich halten, würde das die Tätigkeitsmöglichkeiten des Betriebsrats im Bereich seiner Pflichtkompetenz aushöhlen. Dadurch bestünde auch die Gefahr, dass einzelne Dienstnehmer vom Arbeitgeber unter Druck gesetzt werden, um entsprechende Einsichtnahmen und Kontrolltätigkeiten des Betriebsrats zu verhindern. Auch diese ergänzende Überlegung spricht dafür, dass die von der vorliegenden Klage umfassten Befugnisse des Betriebsrats nicht an die individuelle Zustimmung der betroffenen Dienstnehmer gebunden sind.
Entgegen der Rechtsauffassung des Unternehmens ist eine individuelle Interessenabwägung aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht vorzunehmen. Diese Regelung widerspricht weder der Verfassungsbestimmung des § 1 Abs 2 DSG noch Art 8 EMRK. Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 DSG 2000 werden schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht. Nachdem § 89 Z 1 ArbVG nach völlig herrschender Ansicht eine Pflichtbefugnis des Betriebsrats darstellt, der Betriebsrat also zur Ausübung dieser Befugnisse verpflichtet ist, hat eine Interessenabwägung iSd § 8 Abs 1 Z 4 DSG nicht mehr stattzufinden.
Im vorliegenden Fall sind mit Ausnahme der Krankenstandsaufzeichnungen sämtliche vom Begehren der Klägerin betroffenen Daten nicht als sensible, sondern (bloß) als personenbezogene Daten iSd § 4 Z 1 DSG 2000 zu qualifizieren. Die Zulässigkeit ihrer Verwendung ist daher nach § 8 DSG 2000 zu beurteilen. Nach § 8 Abs 1 Z 1 DSG 2000 sind aber schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen bei Verwendung nicht sensibler Daten dann nicht verletzt, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung oder Verpflichtung zur Verwendung der Daten besteht.
In diesem Zusammenhang verweist der OGH auf die Verschwiegenheitspflicht der Betriebsratsmitglieder, die durch eine Verwaltungsstrafe und einen Entlassungsgrund, allenfalls auch durch das Strafgesetz sowie durch einen gerichtlich klagbaren Unterlassungsanspruch, und gegebenenfalls auch durch Schadenersatzansprüche sanktioniert ist. Im Hinblick auf diese vielfältigen Sanktionen im Fall der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht durch ein Betriebsratsmitglied ist jedenfalls davon auszugehen, dass der Gesetzgeber angemessene Garantien für die Wahrung des Datenschutzes auch durch den Betriebsrat geschaffen hat.
Nach Ansicht des OGH steht all dem auch die Datenschutz-RL nicht entgegen.