Auf den Punkt kommt es an!

Akademische Titel können irreführend sein – auch inländische!

In seinem Urteil 4Ob221/16b vom 22. 11. 2016 hat sich der OGH eingehend mit der Führung und Verwendung aus- und inländischer akademischer Titel auseinandergesetzt. Anlass gab ein englischer „Doctor of Philosophy“ der Fachrichtung „Vision Sciences“, abgekürzt „Dr“, der als „Dr G**** Optometrist“ bzw. als „Doktor …“ auf seiner österreichischen Optiker-Website auftrat.

Die Ärztekammer klagte – und sie bekam recht.

§ 88 Universitätsgesetz 2002 besagt, dass Personen, denen von einer anerkannten ausländischen postsekundären Universität ein akademischer Grad verliehen wurde, das Recht haben, diesen in der in der Verleihungsurkunde festgelegten, auch abgekürzten, Form zu führen.

Da in der Verleihungsurkunde des Optometristen als Titel „Doctor“ bzw. die Abkürzung „Dr“ (nota bene: ohne Punkt) angeführt waren, war die Führung des Titels „Doktor“ bzw. „Dr.“ nicht von § 88 UG 2002 gedeckt und damit unzulässig.

Die Führung der Abkürzung Dr (ohne Punkt) sei durchaus vertretbar, meinte der OGH, immerhin war diese Titelabkürzung dem beklagten Optometristen ja von seiner Universität verliehen worden.

Doch dabei bleibt es nicht. Weil ein wesentlicher Teil der österreichischen Verbraucher das „Dr“ im Zusammenhang mit einem Optiker bzw. Optometrist als Hinweis auf einen Arzt verstehen, war im Anlassfall auch diese Verwendung von „Dr“ unzulässig, weil irreführend. Der beklagte englische Optiker muss daher zukünftig, in geeigneter Weise darauf hinweisen (aufklären), dass er kein Arzt ist.

Diskriminierend ist dies nicht. Der OGH hielt nämlich fest, dass dies auch für Inländer gelte. Wenn GEISTWERT-Partner Dr. Mosing demnach ein Optikergeschäft betriebe, oder der Autor dieses Blogs als Magister eine Drogerie – so müssten sie wohl klarstellen, dass sie nur Juristen (jedenfalls aber keine Optiker bzw. Pharmazeuten) sind.

So hat die vorliegende Entscheidung nicht nur Bedeutung für Träger ausländischer Titel, sondern durchaus auch für österreichische Akademiker. Und das ausgerechnet (und vielleicht gerade deswegen) im so titelverliebten Österreich.

Nachsatz: Für uns Juristen interessant ist, dass es der OGH auffallend vermied festzulegen, ab welchem Prozentsatz (jener, die in die Irre geführt werden müssen) eine unlautere Irreführung angenommen werden kann.